Jubla – Pfadi: Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Zusammenarbeit?
Mein persönlicher Exkurs in die Pfadiwelt
1. Juli 2016, der Tag der Entscheidung:
Als Fachverantwortliche Aus- und Weiterbildung Jungwacht Blauring Schweiz bin ich oft im direkten Austausch mit der Pfadibewegung Schweiz (PBS). Diesen Austausch schätzte ich von Anfang an sehr. Viel mehr noch – er weckte in mir Neugierde. So entschied ich mich, eine Woche Pfadiluft zu schnuppern und meinen Horizont im Bereich Jugendverband im Gilwellkurs zu erweitern.
Tag 1, 1. Oktober 2016, das Pfadi-Abenteuer beginnt:
Nach einer langen, aber schönen Zugfahrt – mit richtigem italienischen Cappuccino im Speisewagen – kommen wir in Santo Stefano (Italien) auf dem Zeltplatz an. Wir? Ich – durch und durch Jubla-Mitglied – umgeben von mehr als 30 Pfadis. Wie ich mich fühle? Ich freue mich darauf, Neues kennen zu lernen, bin gespannt und neugierig. Wie es um mich geschieht? Kaum angekommen, nehmen mich meine Kursgspändli mit offiziellem Foulard und Pfadigruss in ihre Runde auf. Alles andere ist wie in jedem Jubla-Lager. Ein gelungener Start also.
Tag 2, 2. Oktober 2016, im Pfadikurs
Ich sitze in Santo Stefano auf der Wiese und geniesse die Sonnenstrahlen. In Gedanken bin ich noch immer bei meiner gestrigen offiziellen Pfadi-Aufnahme und dem Fahnenaufzug. Diese Traditionen und Rituale - sie sind so gar nicht «Jubla». Aber irgendwie ja doch, oder? Und so beginne ich sie zu zählen, die Gemeinsamkeiten, die Unterschiede – und die vielen Möglichkeiten der Zusammenarbeit...
Jubla = Pfadi?
Die Grösse macht keinen bedeutenden Unterschied
Die Pfadi ist mit 44’000 Mitgliedern der grösste Kinder- und Jugendverband der Schweiz, die Jubla mit 30'000 Mitgliedern der zweitgrösste. Betrachtet man nur die Zahlen der Deutschschweiz sind die beiden Jugendverbände fast gleich gross (Jubla: ca 30'000, Pfadi: ca 33’000). Allgemein fällt auch auf: In der Jubla sind klar mehr Mädchen Mitglieder, in der Pfadi etwas mehr Knaben.
In der Pfadi ist der internationale Austausch stärker
Jungwacht Blauring Scharen gibt es in der Deutschschweiz, die Pfadibewegung in über 150 Ländern. Die Zusammenarbeit über die Landesgrenzen schafft neue Perspektiven und ermöglicht einen spannenden Austausch. Pfader und Pfaderinnen können sich an internationalen Projekten oder Lagern beteiligen und sich in den Weltzentren in der Schweiz austauschen. Doch auch als Jubla-Mitglied gibt es die Möglichkeit, sich über die Fachgruppe International und die Fachgruppe Philippinen international mit anderen Jugendverbänden auszutauschen.
Gleiche Werte und Haltungen
Pfadi wie Jubla fördern die Kinder und Jugendlichen ganzheitlich und reagieren auf aktuelle gesellschaftliche Themen. In beiden Verbänden finden Aktivitäten mehrheitlich draussen in der Gruppe statt. Spirituelle Aktivitäten sind wichtig und in den Grundlagen verankert. In der Pfadi gibt es mehr altersgetrennte Aktivitäten (Stufenmodell), in der Jubla finden die Lager meist mit der ganzen Schar und nur die Gruppenstunden in altersgetrennten Gruppen statt. Beide Verbände beschäftigen sich in ihren aktuellen Strategien mit der Identifikation der Mitglieder sowie der Öffnung gegenüber anderen Kulturen und Gesellschaftsschichten.
Vielfältigere Traditionen und Rituale in der Jubla
Traditionen und Rituale sind in der Pfadi stark verankert und werden über alle Abteilungen hinweg innerhalb der Stufe ähnlich gelebt. So ist zum Beispiel das Pfadihemd und das Foulard ein äusseres Erkennungszeichen, das Pfadiversprechen ein weit verbreitetes Ritual und der Pfadiname eine lang gelebte Tradition. In der Jubla gibt es viele verschiedene Rituale und Traditionen, welche die Scharen individuell ausleben. Es gibt beispielweise Scharen mit Jubla-Namen. Ein gemeinsames Erkennungszeichen gibt es nicht. Das Jungwachtversprechen und das Pfadfinderversprechen ähnelten sich in den 70er Jahren sehr. Der Unterschied: Das Jungwachtversprechen wurde nicht erneuert und wird heute auch nicht mehr gelebt; das Pfadiversprechen wurde sprachlich angepasst und wird noch immer gepflegt. Diese Anpassungen haben auch zu tun mit der Bewegung «New Look» von Jungwacht Blauring in den 70er Jahren. In dieser Zeit wurde auch die Uniform abgeschafft.
Mein persönliches Fazit
Die Pfadi ist wie die Jubla. In beiden Kinder- und Jugendverbände engagieren sich Jugendliche und junge Erwachsene ehrenamtlich für eine sinnvolle und hochwertige Freizeitgestaltung von Kinder und Jugendlichen. Die Werte, die Struktur und auch die Aktivitäten sind sehr ähnlich und unterscheiden sich oft mehr innerhalb der lokalen Gruppierungen.

Zusammenarbeit hat viele Chancen
Der Austausch mit der Pfadi und deren Mitgliedern bringt neue Ideen, Erkenntnisse und Perspektiven. Ausserdem kann eine gute Zusammenarbeit zu mehr Ressourcen, einer stärkeren Lobbyarbeit und besseren Bekanntheit beitragen. Dies motiviert mich, in Zukunft noch mehr mit anderen Kinder- und Jugendverbänden zusammenzuarbeiten. Doch wie?
Ideen für Zusammenarbeit auf lokaler Ebene
- Gemeinsames Vereinslokal aufbauen
- Gemeinsames Weekend für Kinder und/oder Leitende organisieren
- Öffentlichkeitsarbeit gemeinsam gestalten
- Programmideen austauschen
- Interessen gegenüber Gemeinde stärken
- Gemeinsamer Schnuppertag organisieren
- Ideen für Aktivitäten, Teamanlässe, Jubiläum, Lagerplätze, Lagermotto, Lagerfeuerlieder usw. austauschen
- Material gemeinsam kaufen und nicht zur gleichen Zeit ins Lager gehen
- Sich bei einem Jubiläum oder anderen Anlass besuchen und unterstützen
Ideen für Zusammenarbeit auf regionaler/kantonaler Ebene
- Gemeinsames Büro einrichten
- Gemeinsame Bibliothek aufbauen
- Öffentlichkeitsarbeit gemeinsam gestalten
- Kursideen austauschen
- Interessen gegenüber Kanton stärken
- Gemeinsam Parlamentarier-Frühstück organisieren
- Ideen für Aktivitäten, Teamanlässe, Jubiläum, Öffentlichkeitsarbeit, Projekte usw austauschen
- Outdoor- und Spielmaterial gemeinsam kaufen und ausleihen
- Sich bei einer Kantonalversammlung gegenseitig besuchen
Für eine gewinnbringende Zusammenarbeit braucht es Interesse, eine gewisse Offenheit und oft auch persönliche Kontakte. Auf allen Ebenen sehe ich folgende Möglichkeiten zur Zusammenarbeit:
- Inhaltliche Erarbeitung und Weiterentwicklung von relevanten Themen wie Ehrenamt, Risikokompetenz, Prävention
- Austausch von Ideen
- Nutzung von Material, Räumen, Büchern, Geräten
- Ressourcen teilen für Projekte
Tag 7, 7. Oktober 2016, Feierabend:
Die Kurswoche neigt sich dem Ende zu. Ich lasse Revue passieren: Es war eine spannende, erlebnisreiche Woche mit Höhepunkten wie Diskussionen am Strand, der Unternehmung mit Biwakübernachtung und Sonnenaufgang über dem Meer, Kerzen-, Fackel- und Feuermomente, lustige Momente beim Synchronschwimmwettbewerb im Meer – und natürlich – Begegnungen und Erkenntnisse über die Jubla, die Pfadi und die Welt. Vielen Dank dem Giwellstamm und der Pfadi. Auf weitere gute Zusammenarbeit für eine sinnvolle und hochwertige Freizeitgestaltung.
Gilwellkurs |
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Der 21. Gillwellkurs in Santo Stefano al Mare (Italien) fand vom 1. – 8. Oktober 2016 mit Übernachtung im Zelt statt. Ein Nachweekend findet im Februar 2017 in Kandersteg statt. Der Kurs ermöglichte 25 Teilnehmenden und 7 Kursleitenden:
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