«Wir haben das Jublaversum erbaut»
Ansatz: Infrastruktur eines Festivals durch zwei
Als die Rede von einem Jublaversum auf der Allmend Bern mit rund 10`000 Teilnehmenden war, stand für das Ressort Infrastruktur sogleich fest: Dieser Anlass benötigt nicht weniger als eine komplette Festival-Infrastruktur. So haben die grossen Festivals wie Gampel und Gurten schnell 20'000 Besuchende pro Tag. Der Ansatz war also simpel: Nimm die Infrastruktur eines Festivals, teile sie durch zwei und überlege dir, was die Jubla von einem Festival unterscheidet.
Die grösste Knacknuss war dabei immer die Dimensionierungsfrage: Wie viele Toiletten benötigen wir für 5'600 Zeltplätze? Sind 100 Kubikmeter Abfall zu viel oder zu wenig? Reichen 79'000 Quadratmeter Fläche für das gesamte Jublaversum? Da niemand des Ressorts je ein Gurten-Festival oder ähnliches organisiert hatte, begingen wir uns auf eine lange Reise mit 18 Sitzungen, Festival-Besuchen, Messe-Besuchen, intensiven Diskussionen mit Infrastrukturlieferanten für Tische, Toiletten, Bühnen, Eventtechnik und vielem mehr.
Sieben Tage Aufbau mit 30 Personen
Der Aufbau vom Jublaversum startete bereits eine Woche zuvor; am Samstag, 17. September. Über dreissig Helfende kümmerten sich während zwei Tagen um den Bau der zwei Dreimastsarrasanis, währenddessen ein Team von sechs Personen die Rakete aus dem Boden stampfte und ein Team von vier Personen den südlichen Lagerturm erstellte.
Unter der Woche standen uns 20 Zivilschützer zur Verfügung, mit welchen das sechsköpfige Infrastruktur-Team 1.5km Absperrgitter, 600 Tischgarnituren, 51 MobiTois, 4km Stromkabel, 500m Abwasserrohre, 4km Seile, 350 Schalungstafeln sowie über 2km Kanthölzer verbaute. Gearbeitet wurde von morgen früh bis abends spät und danach stand jeweils die Arbeitsplanung für den nächsten Tag auf dem Programm.
Pünktlich zu Beginn des Jublaversums waren die Aufbauarbeiten schliesslich auch abgeschlossen und das Team konnte den Anlass 45 Stunden lang ohne nennenswerte Zwischenfälle geniessen. Danach begann der 47-stündige Abbau – am Dienstagnachmittag konnten wir die Zivilschützer entlassen und am Mittwoch das Festgelände zurückgeben. Dank gutem Wetter waren keine Renaturierungsmassnahmen notwendig, was sowohl die Stadt wie auch das Portemonnaie vom Jublaversum sehr erfreute.
Doch genug vom Auf- und Abbau – die eigentlichen Lagerbauten interessieren dich bestimmt viel mehr. Getreu dem Leitsatz «Qualität statt Quantität» gab es deren nur sechs Stück, aber die hatten es in sich.
Die Dreimastsarrasanis – die Krönung der Pioniertechnik
Grosses und kleines Sarrasani
408 und 228 Blachen – vom Infrastrukturressort liebevoll «grosses Sarrasani» und «kleines Sarrasani» getauft. Diese beiden Bauwerke dürfen getrost als der Zenit der Sarrasani-Baukunst bezeichnet werden: Weder die Jubla, noch die Pfadi, noch die Cevi oder ein anderer Kinder- und Jugendverband baut schönere Sarrasanis als das verbandsübergreifende Sarrasani-Bauteam von Outdoortech unter der Leitung von Christof Baeriswyl. Entwickelt wurde der Dreimaster im 2008 von Mäthu Lüthi und Sam Brüngger. Seither ist er stetig verbessert worden, sodass das Team mittlerweile europaweit Sarrasanis baut und vor keiner Herausforderung zurückschreckt. So ist auch ein asphaltierter Platz mit Elektro- und Wasserleitungen nur ein kleines Hindernis.
Bewaffnet mit einem GPS-Positionierungsgerät begannen die Vorarbeiten bereits am Mittwoch,14. September: Sämtliche Abspannpunkte der Sarrasanis wurden im Leitungskataster eingepasst und vor Ort zentimetergenau vermasst und markiert. Danach wurde der Asphalt bei sämtlichen Löchern für die Masten aufgefräst, bevor mit den bekannten Aushubarbeiten begonnen werden konnte. Die Löcher für die Erdanker wurden mit einem Steinbohrer vorgebohrt und ein Rammhammer ersparte den Helfenden viel Kraft fürs Eintreiben der Erdanker.


Rüsten, Knoten, Knüpfen
Am Samstag, 19. September, ging`s dann richtig los: Helfende – darunter mehrheitlich aktive und ehemalige Leitende der Jubla Düdingen – rüsteten insgesamt sechs Masten für die Sarrasanis und knoteten pro Masten über 500m Seile an. Am Sonntag fuhr für das Aufstellen der Masten ein Lastwagenkran vor Ort. Dieser brachte die Masten mühelos in Position – der normalerweise sehr gefährliche Akt des händischen Mastaufstellens konnte so elegant umgangen werden.
Fürs Knüpfen der über 600 Blachen benutzten wir die Dreifachturnhalle Wankdorf und in eindrücklicher Akkordarbeit nach knapp sechs Stunden waren über 15'000 Knöpfe verbunden und 600 Blachenschrauben für die Entlastung der einzelnen Knöpfe angezogen.
Bestimmt hast du schon einmal von der 5er-Regelung der neuen Blachen gehört und dich gefragt, wie du das realisieren willst? Die Antwort des Infrastruktur-Teams darauf ist: «Dass wir nicht lachen.»
Neu ist diese Regelung nämlich nicht – sie wurde seinerzeit bei der Einführung des Zelttuches ’64 niedergeschrieben, aber nie an die Kinder- und Jugendverbände kommuniziert. Die 5er-Regel wurde entworfen, um die Zugkraft auf die einzelnen Knöpfe der Blache zu reduzieren. Es gibt aber viele andere Möglichkeiten, die Zugkraft auf die Knöpfe zu reduzieren, als einfach «nur» fünf Blachen einzusetzen: Blachenschrauben, Seile und Stangen.
Blachenschraube
Das Set, das du dazu benötigst: Sechskantschraube M10 x 45, 2x Unterlagsscheiben M10, Mutter M10. Eine Unterlagsscheibe platzierst du oberhalb der Blachenösen, eine unterhalb und die Mutter ziehst du von Hand an – fertig. Mit den Blachenschrauben entlastest du die einzelnen Knöpfe der Blachen massiv.

Seile
Seile unterhalb der Blachen eines Sarrasanis helfen einerseits, die Blachen zu entlasten und andererseits bringen erst Seile den Sarrasani in die richtige Form einer Pyramide. Im obigen Bild sind beide Effekte sehr gut ersichtlich: Keine einzige Blache ist abgespannt und die Form des Sarrasanis ist bereits erkennbar.

Stangen
Eine dritte Möglichkeit zum Entlasten der Blachen ist der Einsatz von Zeltstangen in der passenden Länge. Die Zeltstangen entlasten wiederum die einzelnen Knöpfe und bringen die Baute – wie die Seile – in die gewünschte Form. Diese Technik wird häufig bei Nomadenzelten eingesetzt.

Die Türme und das Eingangstor – Verarbeitung vom Feinsten
So unterschiedlich diese drei Bauten auch waren, so haben sie eines gemeinsam: Das Erbauen erfordert sowohl viel Expertenwissen, als auch Zeit.
Der nördliche Turm
Der nördliche Turm, aufgebaut von der Jungwacht Horw, glänzte durch 16m Höhe und keiner einziger Schraube in der Turmkonstruktion: Sämtliche Rundhölzer waren mit Kreisbünden sowie Nägeln miteinander fixiert. Der Turm wurde nicht etwa von unten nach oben erbaut, sondern in umgekehrter Reihenfolge: Mit Umlenkrollen wurden die Plattformen in die gewünschte Höhe gezogen und anschliessend fixiert.

Der südliche Turm
Der südliche Turm, aufgebaut von aktiven und ehemaligen Leitern und Materialchefs der Jungwacht Sursee, war Zimmermannsarbeit vom Feinsten: 14m Höhe, drei Stockwerke, riesige Plattformen, 32 Schalungstafeln sowie über 100m Kanthölzer wurden mühelos verarbeitet. So wurde der Turm wurde immer höher und höher. Die geschlagenen Keile am Boden liessen die Masten auch ohne Seile oder Verstrebungen in senkrechter Form, wie sich beim Abbau bemerkenswert zeigte.

Eingangstor
Die geballte Kompetenz und Energie vom Ressort Infrastruktur demonstrierte sich eindrücklich, als wir am Montag feststellten, dass wir den geplanten Aufbau der gesamten Infrastruktur zeitlich problemlos bewältigen können: Als Sahnehäubchen entwarf das Ressort über Nacht ein Eingangstor, bestellte am Dienstag das Material und baute es ab Mittwoch unter der Leitung von Silvio Schmitter von der Jungwacht Diepoldsau-Schmitter auf. Mit den Aussenmassen 10m x 8m und einem Durchgang von 6m x 6m vermittelte das Eingangstor einen imposanten Eindruck vom Jublaversum – auch hier wurden sämtliche Rundhölzer mit Kreisbünden fixiert. Anstatt Nägel einzusetzen wurden Kerben in sämtliche Rundhölzer geschlagen – grosse Bauten sind auch ohne Metall möglich!

Die Rakete – der Mottobeitrag vom Ressort Infrastruktur
Was kann ein Ressort Infrastruktur zum Motto beitragen? Die Antwort liegt auf der Hand – eine mottogerechte Lagerbaute. Konzipiert von Christof Baeriswyl, ausgearbeitet und aufgebaut von Alain Spicher, war die Rakete das wohl meist fotografierte Sujet am Jublaversum.
Die Grundlage der Rakete bildet ein klassischer 6m hoher Turm aus 100/100-Kanthölzern, wie er von vielen Jubla-Scharen beherrscht wird. So richtig spannend wird es aber erst jetzt: Ein äusseres Konstrukt bringt die Rakete in die gewünschte Form. Die Kreise wurden durch Zwölfecke approximiert und der mittlere Kreis hat einen Durchmesser von 4.55m und ist damit fast doppelt so gross als der eigentliche Turm. Diese grosse Angriffsfläche ist windtechnisch ungünstig, denn aufgrund der Ästhetik waren Abspannseile nie eine Option. Der angewandte Trick: Die Aussenhülle der Rakete wird nicht etwa mit Schwarten gebaut, sondern mit Stoff bespannt und angetackert. Dadurch lässt sich formbringende Holzrahmen mit Dachlatten realisieren und wird sehr leicht. Bei Sturm würde der Stoff an den Heftklammern ausreissen und die grosse Angriffsfläche reduziert sich umgehend auf die Grundkonstruktion des Turmes – es besteht zu keinem Zeitpunkt Einsturzgefahr.

Danke und bis zum nächsten Mal!
Nach nur 45 Stunden war das Jublaversum zu Ende und die Vorbereitungszeit von zweieinhalb Jahren manifestierte sich in Erinnerungen und unglaublich wertvollen Erfahrungen für alle Beteiligten.
Doch eins ist sicher: Wer während der Woche vor dem Jublaversum auf dem Gelände war, konnte sich beim Aufbauen verwirklichen und dies alleine war Belohnung genug für die harte Vorbereitung – manch eine/r dachte sich: Das könnte ich ewig machen!
Und obwohl das Jublaversum zu Ende ist, sind wir noch nicht ganz von der Bildfläche verschwunden – das OK des nächsten nationalen Grossanlasses kann sich auf eine beispiellose, unvorstellbare Lagerbaute des ehemaligen Ressort Infrastruktur von OK Jublaversum freuen. Wir sehen uns!
Mein Dank richtet sich:
- An das Ressort Infrastruktur, namentlich Valentin Walter, Roman Jeckelmann, Benjamin Kaeser, David Bichsel und Luca Stalder für die schlichtweg geniale Zusammenarbeit. Jungs, ihr wart ausgezeichnet!
- An die Teams aller Lagerbauten und meine Kontaktpersonen, namentlich Samuel Eckert, Emanuel Bossart, Adrian Studhalter, Meinrad Häfliger, Silvio Schmitter und Alain Spicher für das gegenseitige Vertrauen und die unkomplizierten Begegnungen – gerne wieder!
- An die Asphalt-Bezwinger, namentlich Fabian Zurkinden, Loic Bertschy und Nicolas Jungo – erst ihr habt die Lagerbauten ermöglicht!
- An das gesamte Logistikressort für das Erfüllen all unserer noch so komplizierten und kurzfristigen Transportbedürfnisse – saubere Leistung!
- An alle Besucher/innen für den respektvollen Umgang mit den Bauten und dem Material – das Lagerbauten-Piquet war arbeitslos!
- An alle Teilnehmenden, Leitenden, Ehemaligen, Helfenden und an das OK – erst ihr habt so wirklich richtig Farbe ins Jublaversum gebracht!
Aus dem Sarrasani fürs OK Jublaversum, Christof.